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Rolling Home

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Die Eckdaten zuerst: Meine Fähre legt um 15 Uhr in Trelleborg ab. Bis dahin liegen mindestens 40 Kilometer Fahrstrecke vor mir. Auch wenn jede Oma auf ihrem Hollandfahrrad diese Strecke in der gegebenen Zeit bewältigen könnte, ist es doch erstaunlich, wieviel Druck so ein Fährfahrplan aufbauen kann. Das Bild von einem sich langsam auf dem Meer entfernenden Fährschiff und einem Radler, der dabei abgekämpft und fassungslos vom Ufer aus zusieht, ist schon stark. Meine subversiven Gedanken an Reifenpanne, Rahmenbruch und Schwächeanfall schiebe ich energisch mit dem Satz „Zur Not hilft die Kreditkarte!“ beiseite.

 

Nachdem das geklärt ist, kann es ja losgehen!


Oktobertour durch Südschweden:
 
Montag: Warum nicht Schweden?
Dienstag: Monsta auf Seereise
Mittwoch: Stürmische Meilen
Donnerstag: Ländliches Skåne
Freitag: Malmö ich komme
Sonnabend: Rolling Home

Es ist Wochenende. Außer der schon erstaunlich aktiven Sonne scheint in Malmö noch niemand wach zu sein. Ich habe die Straßen der Stadt beinahe ganz für mich allein. Auf dem Weg zum Ribersborgsstranden radle ich an Hafenbecken mit Oldtimerschiffen, Kanälen und modernen Gebäuden vorbei. Alle leuchten im Morgenlicht um die Wette. Dann bin ich schon am Meer, das heute Morgen dunkelblau aussieht.

 

Die Stadt Malmö hat das Privileg eines langen, feinsandigen Badestrands direkt in der Stadt. Zahlreiche Seebrücken strecken ihre Finger in die See. Auf der Strandpromenade bin ich nun auf Südkurs. Inzwischen sind sogar ein paar Jogger, einige Hunde und deren Begleitmenschen aufgewacht. Sie bevölkern jetzt zunehmend den breiten Fußweg. Von einem kleinen Sporthafen habe ich einen schönen Blick auf die endlos erscheinende Öresundbrücke. Es schließen sich einige langweilige Vororte im spießigen Stil von Harry Potters Ligusterweg an, bevor ich in der Gemeinde Klagshamn auf eine Landzunge stoße. Die künstlich vergrößerte Halbinsel, die ungefähr einen Kilometer in das Meer hinausragt ist heute ein Naturschutzgebiet. Dadurch ist sie wohl dem Schicksal entgangen, von neureichen Malmöern mit exklusiven Eigenheimen zugebaut zu werden. Bis eben bin ich durch ein recht dicht besiedeltes Ballungsgebiet gefahren. Deshalb ist es nun ganz ungewohnt, wieder Schotter unter den Reifen und nichts als Vegetation um mich herum zu haben. Mein Weg endet an einem kleinen aber feinen Strand, bei dem der Wald nahtlos in eine feinsandige Düne übergeht. Wie ich hörte, ist das hier ein hervorragender Surfspot.



Für die nächsten Kilometer muss ich auf den Meerblick verzichten. Erst südlich von Hellviken wird meine Straße wieder zur Küstenstraße. Sie schmiegt sich in nur 100 bis 200 Meter Entfernung an die Wasserlinie. Diese Distanz wird von grasgrünen Viehweiden überbrückt. An einem auf dem Landstreifen aufgestellten Seezeichen kann ich auf einem schmalen Pfad bis ans Meer herunterradeln. Sehr dekorativ verrotten hier direkt am Strand zwei alte Fischerboote. Wären die Kähne nicht mit Müll gefüllt, ergäbe sich beim heutigen Kaiserwetter ein traumhaftes Postkartenfoto. Ich halte für einen Moment inne und genieße die See und die Sonne. Mein Zeitdruck ist völlig verschwunden, denn vor mir liegen nur noch überschaubare fünf Restkilometer. Gleichzeitig wird mir klar, dass sich mein kleines Schwedenabenteuer unweigerlich dem Ende entgegen neigt.

 

Schade, schon morgen werde ich wieder in eine Welt aus Hysterie und Mund-Nasen-Schutz eintauchen. Schweden hat mir gezeigt, dass es auch anders geht!



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