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Monsta auf Seereise

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Pünktlich um 6:30 Uhr warte ich gemeinsam mit ein paar dutzend Autos und Lastwagen an der Kaikante. Endlich winkt der Einweiser. Ich darf mit meinem Fahrrad als erster auf die Fähre fahren. Dazu kurbele ich eine steile Rampe zum oberen Deck hinauf. Schade, dass ich nicht gleichzeitig fotografieren, strampeln und den-Verkehr-nicht-aufhalten kann.

 

Bald legen wir ab. Warnemünde schläft noch und nur der Molenkopf entschließt sich, kurz aus dem Morgennebel herauszusehen. Später scheint die Sonne, die See ist ruhig wie ein Gartenteich, doch 6 Stunden Fährfahrt ziehen sich mächtig in die Länge. Aber ich will es mal anders sehen: 17,50 € geteilt durch 6 Stunden ergibt rekordverdächtige 2,91 € pro Stunde. In den Fahrgeschäften eines Rummelplatzes wird man sein Geld definitiv schneller los!


Oktobertour durch Südschweden
 
Montag: Warum nicht Schweden?
Dienstag: Monsta auf Seereise
Mittwoch: Stürmische Meilen
Donnerstag: Ländliches Skåne
Freitag: Malmö ich komme
Sonnabend: Rolling Home

Nach einem umständlichen Anlegemanöver machen wir endlich in Trelleborg fest. Wieder bin ich der Erste an der Laderampe. Was muss das für ein witziges Bild sein: Ein Fahrradfahrer mit knallroten Packtaschen rollt, verfolgt von einer Rotte schwerer Trucks, in luftiger Höhe auf eisernen Rampen aus dem Schiffsbauch. Nach einem halben Kilometer Hafengelände gelingt es mir, aus der Kolonne der Trucks auszuscheren. Auf einem kleinen Schleichweg bin ich gleich auf der mit Palmen dekorierten Uferstraße von Trelleborg. Und auf ihre Palmen sind die Trelleborger sehr stolz! Nur fünf Minuten später bin ich im Stadtzentrum. Trelleborg ist eine feine, aber (sehr) kleine Stadt. Ich schiebe einmal durch die Hauptstraße, rolle die Parallelstraße am Bahnhof zurück und bin schon wieder in der Shoppingmeile. H&M, ein paar Boutiquen, ein Optiker, ein Drogeriemarkt …   Das war`s!

 

Das Meer ruft! Ich trödele Richtung Osten, immer an der Küste entlang. Große Kolonien von Wohn- und Ferienhäuser bilden das Hinterland für einen schmalen, steinigen Strand. Gelegentlich gibt es auch unbebaute Strandabschnitte mit Wiesen und Gebüsch. Ich schlage mich bis zum Meer durch und lasse es mir dank der fetten Breitreifen auch nicht nehmen, direkt durch den Sand bis an die Wasserkante zu fahren. Hier habe ich einen weiten Strandabschnitt nur für mich. Die Sonne strahlt so gut sie kann und der Himmel ist mit ein paar harmlosen Schwedenwölkchen verziert. Ein Gefühl wie Strandurlaub, bloß ohne Touristen! Und wie friedlich die Ostsee hier ist! Gut, heute ist es windstill, aber die Südküste kennt auch bei unruhigem Wetter keine Brecherwellen und Naturgewalten. Während ich neben meinem Fahrrad sitze und vor mich hin träume, paddelt ein junger Mann im Kanu an mir vorbei. Er wird von seinem Hund begleitet. Das Tier läuft an Land neben dem Boot her.   



Nur ein paar Schritte sind es bis zum Meer. Weit und breit ist kein Mensch zu sehen. Die Sonne lacht immer noch! „Soll ich baden?“ texte ich mit dem Handy nach Hause. Ehe eine Antwort kommt, stehe ich schon mit den Füßen im Wasser. Ganze 10 Minuten stakse ich im flachen Wasser hin und her, bevor ich mich überwinden kann. Dann tauche ich kurz unter. Ich hoffe, das zählt jetzt schon als baden …

 

Und nun? Wohin geht die Radreise heute? Wir haben frühen Nachmittag und mein Quartier ist leider gleich um die Ecke. Wie wäre es mit einer Spritztour nach Ystad? Nein, denn selbst mit dem Rennrad wären das 2 Stunden pro Richtung. Erst weit nach Sonnenuntergang würde ich zurück sein. Ich merke, dass mir eindeutig noch das Gefühl für die Entfernungen hierzulande fehlt. So bummle ich mit dem Rad die Küstenstraße entlang an weiteren Feriensiedlungen vorbei zum südlichsten Punkt von Schweden. Dieser Fleck ist ein wenig touristisch ausgebaut, doch auch hier sieht das Meer nicht anders aus, als vorhin. Eine kurze Mole, das Meer und ein kleiner Leuchtturm, der sich auf einen Hügel duckt. Sonst gibt es hier nichts. Ein Schild weist nach Berlin. Nur 314 Kilometer, staune ich! 

 

Ich verlasse die Küste. Das Hinterland ist vollkommen flach. Hier gibt es Felder, Dörfer, kleine Baumgruppen und einem schönen klaren Himmel mit Zuckerwattewölkchen. Die Dörfer haben selten mehr als 4 oder 5 Höfe. Dafür liegen sie dicht beieinander. Eines der Dörfer heißt Mein Äspö. Es ist mein Dorf für diese Nacht und es ist sogar ein Kirchdorf. Die Bed & Breakfast-Pension, in der ich diese Nacht verbringe, könnte einmal das Pfarrhaus gewesen sein. Sogar das spartanische Zimmer sieht irgendwie nach christlicher Jugendfreizeit aus. 

 



Weiter lesen: Stürmische Meilen


Noch ein kleiner Tipp für alle zukünftigen Fährfahrer: Die Packtaschen (natürlich ohne Wertgegenstände) würde ich am Fahrrad lassen. Das Autodeck ist während der Überfahrt nämlich abgeschlossen. Dagegen ist es ausgesprochen schwierig, sein Gepäck im weitläufigen Passagierbereich im Auge zu behalten. Hilfreich ist es natürlich, ein kleines Fahrradschloss zur Hand zu haben, um Taschen und Fahrrad zu einer Einheit zu verbinden. Sicher ist sicher! Ein kleiner Spanngummi leistet gute Dienste, das bepackte Rad an einer Reling festzuzurren. (Daran hatte ich nicht gedacht. Es ging auch so.)

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