Bikepacking, aber ohne Gepäck

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Im Geiste bin ich ein leidenschaftlicher Bikepacker! 

 

Meist habe ich dennoch kaum Gepäck bei mir. Entweder kehre ich nämlich abends zum Ausgangspunkt zurück, oder -das darf ich keinem echten Bikepacker erzählen- ich schlafe in einer Pension.

 

Um das zu erklären, muss ich etwas ausholen:

 

Wenn mir drei verschiedene Leute erzählen, sie würden in ihrer Freizeit Fahrrad fahren, tun sie höchstwahrscheinlich nicht dasselbe. 

 


Der eine radelt sonntags bei schönem Wetter mit dem Hollandrad zur Eisdiele. Ein anderer vollführt wilde Sprünge auf Mountainbike-Abfahrtsstrecken. Und der dritte liebt es, auf dem Rennrad um Kilometer und Sekunden zu kämpfen. Mir scheint, dass „Fahrrad fahren“ nur eine Art Sammelbegriff für allerlei Betätigungen ist und keine von den bisher genannten ist meine Welt!

 

Auch ich fahre leidenschaftlich gern Fahrrad. Dabei sympathisiere ich am meisten mit den „Bikepackern“. Sie sind die neuzeitliche Version der „Reiseradler“, die weit herumkommen und alles zum Überleben mit sich führen. Auf ihren Touren legen sie große Entfernungen zurück, woraus eine gewisse sportliche Herausforderung resultiert. Genau so mag ich es auch! 

 

Dazu gilt in Bikepacker-Kreisen ein ordentliches Tempo als wünschenswert, obwohl es kaum um Wettkämpfe geht. Auch ich fahre gern zügig! 

 

Auf den richtigen Bikepacker warten auf seinen Reisen viele unkalkulierbare Herausforderungen. Dazu gehören Wind und Wetter, das Höhenprofil der Strecke und die Beschaffenheit der Wege. Gemäßigte Offroad-Abschnitte werden gern mitgenommen, denn es geht immer auch darum, die Natur zu erleben und immer neue Orte zu erkunden. All das ist auch meine Leidenschaft!

 

Irgendwann geht der schönste Fahrradtag zu Ende. Wenn die Sonne untergeht, richtet sich der Bikepacker seinen Lagerplatz her. Schlafsäcke werden ausgerollt, Hängematten befestigt und vielleicht kleine Zelte aufgestellt. Nebenbei köchelt schon ein leckeres Süppchen über dem offenen Feuer. 

 

Und genau hier steige ich aus! 

 

Dabei kann ich der Lagerfeuerromantik sogar eine Menge abgewinnen. Aber noch viel lieber fahre ich Fahrrad! Weite Strecken und hohe Berge sind für mich großartig und ich habe viel Freude daran, mein eigenes Limit auszutesten. Eben dabei ist jedes zusätzliche Gepäckstück ein Gepäckstück zu viel! Und leider braucht man für das Biwak eine Menge Zubehör. Es käme, wie es kommen müsste: Das Bike würde durch die Last unhandlich und schwerfällig. Hindernissen ginge ich vielleicht lieber aus dem Weg. Kurz gesagt: Mein Fahrspaß wäre dahin. 

 

„Ultralight-Bikepacking“, also die super-leichte Variante des Übernachtungsgepäcks, könnte eine Chance sein?! Warum versuche ich es nicht damit? Das Risiko, nachts zu frieren oder hungrig zu bleiben, führe wohl auch auf der ultraleichten Tour immer mit. 

 

Ein weiterer Grund für eine weniger romantische Nacht hat gar nichts mit dem Gepäck zu tun. Da sich das Biwakieren fast immer im legalen Grenzbereich abspielt, könnte die Sorge vor Oberförstern und anderen Waldmeistern für einen unruhigen Schlaf sorgen. Von Begegnungen mit wilden Tieren will ich gar nicht reden! Zwar ist diese Angst (angeblich) nur eingebildet, aber in der Zeitung steht, dass echte Wölfe in den Wäldern leben. Jedes Kind weiß doch, was ein Wolf mit Rotkäppchens Oma angestellt hat!

 

Also sind auf der Fahrradtour Zelt und Hängematte wohl doch nicht das Richtige für mich. Die Nacht verbringe ich lieber in meinem unauffälligen Auto. Dort lagern zur Sicherheit auch Unmengen an Lebensmitteln, warmes Duschwasser kann bereitet werden und ungebetene vier- oder vielbeinige Gäste bleiben einfach draußen!

 

Die Konsequenz, mit der ich als Warmduscher leben muss, ist, dass die meisten meiner Touren Rundfahrten sind. Es ist simple Mathematik, dass ich einfach nicht so richtig vom Fleck kommen kann.*  Aber eigentlich macht das gar nichts. Manchmal gefällt mir eine Landschaft sogar ganz besonders. Dann kann es sein, dass ich nach und nach wie eine Spinne ein immer dichter werdendes Netz von Radrouten über eine geografisch kleine Region ziehe. Zuletzt war für mich das Isergebirge so eine Gegend. Dabei entdecke ich immer wieder etwas Neues und fühle mich frei und ungebunden. Vor allem, ich habe Spaß dabei!   

 

Genau genommen bin ich dann wohl kein richtiger Bikepacker ...

Wenn ich aber die Berichte von Fahrradkollegen lese und ihre (traumhaft inszenierten) Fotos von Lagerfeuern sehe, werde ich fast ein wenig neidisch. Vielleicht probiere ich es doch einmal mit dem richtigen Bikepacking!

 

*Wer in Mathe aufgepasst hat, weiß, dass ein Kreis (=Fahrtstrecke) von 100 Kilometern Umfang gerade einmal einen Radius von 16 Kilometer hat. (U =  pi * 2r)

 


PS:

Auch in diesem Sommer gab es bei uns ein paar laue Nächte. Sie luden dazu ein, auf das Rad zu steigen und im Rucksack nicht mehr als einen Not-Pullover mitzunehmen. Die Nacht hätte ich im warmen Strandsand unter dem Sternenhimmel verbringen können und dafür weder Zelt noch Schlafsack gebraucht. Am nächsten Tag wäre ich zuerst zum nächsten Bäcker und dann anschließend einfach immer weiter geradelt! 

 

Verrückt, dass ich diese Gelegenheit auch in diesem Jahr wieder verpasst habe ...