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Transit Krkonoše

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Nach einer Woche in Špindlerův Mlýn (Spindlermühle) und ein paar Extratagen in Prag haben wir unser Quartier gewechselt. Jetzt residieren wir etwa 9 Kilometer südöstlich in Pec pod Sněžkou (Petzer). Nur unsere Fahrräder sind noch nicht umgezogen. Geduldig warten sie in einer dunklen Abstellkammer im Hotel „Montana“ in Špindlerův Mlýn. Klar, die Räder wollen abgeholt werden. Aber wie konnte es nur dazu kommen, dass ich mein „Monsta“ unbedingt auf eigenen Rädern überführen will? Tina winkt dagegen gleich ab. Ihr Bike darf mit dem Auto fahren.

Auch als Riesengebirgs-Neuling wird mir sofort klar, dass sich die 9 Luftlinien-Kilometer dramatisch vervielfachen werden, sobald ich auf dem Rad sitze. Einerseits gibt es im Gebirge das Phänomen „Berg“, welches eine geradlinig-direkte Route unmöglich macht.


Ein Riesengebirgs-Abenteuer in 6 Teilen:

Teil 1: Gipfelsturm auf den Medvědín 
Teil 2: Spindlerpass Challenge 
Teil 3: Transit Krkonoše 
Teil 4: Der kleine Bruder des Ještěd 
Teil 5: Die Wand Teil II
Teil 6: Velké Finále

Das zweite Phänomen trägt den in Mountainbiker-Kreisen gefürchteten Namen KRNAP. KRNAP steht für Riesengebirgs-Nationalpark (Krkonošský národní park) und sorgt dafür, dass viele der interessanten Durchgangsrouten für Biker gesperrt sind. 

 

Schwungvoll rolle ich vom Hotel in Špindlerův Mlýns Innenstadt hinunter. Das war jetzt der einfache Teil. Doch dann beginnt der Sport in Form des Anstiegs. Bis zur Talstation des Lifts auf den Přední Planina (Planur) bewege ich mich noch klar in der Touristenzone. (Meist wird der Berg nur kurz als „Pláň“ bezeichnet. Er ist der zweite Hausberg von Špindlerův Mlýn.) Dem Lift selbst zeige ich die kalte Schulter. Natürlich könnte ich mich samt Fahrrad hochschleppen lassen, aber das ist doch unsportlich, oder? Stattdessen finde ich mich auf einer holprigen Plattenstraße ein. (Im Nachhinein erscheint mir, ich habe auf meinen verschiedenen Touren die einzigen beiden Straßen dieser Bauart im Riesengebirge erwischt.) Meine Straße stellt so etwas wie ein überdimensionales Schraubgewinde dar. Ihre Windung läuft um den Berg herum, wobei sie stetig an Höhe gewinnt. Für ein paar Kilometer und genau bis zu einer großen Wegkreuzung schrauben Monsta und ich fleißig mit. Eine Querstraße kommt links direkt vom Gipfel und verschwindet rechts im Wald in Richtung Strážné (Pommerndorf). Gerade donnern zwei Mountainbiker mit halsbrecherischer Geschwindigkeit diese Rennbahn hinunter und an mir vorbei. Gleich nehme ich die Verfolgung auf. Doch weil ich im Downhill eben ein Hasenfuß bin, habe ich keine Chance. Im Grunde bin ich sogar ein wenig entsetzt, dass sich die mühsam erarbeiteten Höhenmeter in wenigen Sekunden pulverisieren. Doch es besteht kein Zweifel, die Route stimmt! Das Dorf Strážné bildet den Mittelpunkt eines kleinen Familienskigebiets. Gleich hinter dem Ort geht es weiter abwärts. Das beunruhigt mich jetzt wirklich, denn nun kann ich gleich wieder von Null beginnen, Höhenmeter zu sammeln.



Die folgende Steigung durch einen endlos erscheinenden Wald entpuppt sich zur Abwechslung als tadellose Asphaltstraße. Ich habe mich für die mittlere von 3 Streckenvarianten entschieden, was sich als gute Wahl erweist. Die Talstrecke K1B hätte mich stundenlang durch gleichmäßig grünen Wald geschickt. Sicher nett, aber nicht spektakulär genug. Und die Mühe des Anstiegs wäre mir am Ende auch auf dieser Strecke nicht erspart geblieben. Für einen Moment ziehe ich die hoch gelegene Route K1A in Betracht. Sie würde mich sogar auf über 1300 Meter Höhe bringen! Doch mein innerer Schweinehund versteht nicht, was ich da oben will. Wahrscheinlich hätte ich bei der anschließenden Talfahrt so viel Respekt vor der „Teufelstreppe“ bekommen, dass ich auf einer späteren Tour zur Luční bouda (Wiesenbaude) bestimmt nicht noch einmal diese Strecke gewagt hätte.

 

Wie gesagt, mein Weg ist heute die „goldene Mitte“. Er hört auf den Namen K18. Nach langwieriger Aufwärmung auf steilem Asphalt rolle ich auf weniger steilem Schotter weiter. Bald klebt mein Weg an einem Hang und ich habe einen schönen Ausblick in eine weite Talbucht. Auf der gegenüberliegenden Seite kann ich schon sehen, wo ich in einer halben Stunde entlang radeln werde. Die gute Nachricht ist: Es geht für mich kaum noch weiter aufwärts. Dafür werden die Aussichten immer schöner! In der Ferne verliert sich das immer flacher werdende Gebirgsvorland in einer bläulichen Unendlichkeit. Etwas weiter vorn kann sich das Auge an einer markanten Bergkuppe festhalten. Der Turm auf dem Gipfel muss eine Fata Morgana sein. Ich würde ihn gern für den raketenförmigen Fernsehturm des Ještěd (Jeschken) halten, doch weder die Richtung noch die Entfernung wollen passen. Tatsächlich handelt es sich um den kleinen Sendeturm auf dem Černá hora (Schwarzenberg). Für den perfekten Genuss habe ich nun an der Flanke des Liščí hora (Fuchsberg) sogar sanft abfallenden Asphalt unter den Rädern.

 

Im Gegensatz zu den längeren unkomplizierten Abschnitten bisher wird die Route nun geradezu verwinkelt. Ich muss mich auf den Streckenverlauf konzentrieren, um nicht irgendwo falsch abzubiegen. Auch die Zahl der Bauden am Wegesrand erhöht sich deutlich. Es sind die ersten Vorposten, die mein Ziel - Pec pod Snezkou - ankündigen. Noch einmal muss ich einen Berg hinauf. Es öffnet sich eine modellierte Wiesenlandschaft, die mit Hütten und Bauden geradezu übersät ist. Und genau das ist Pec: Wiesen und Hügel, Skilifte und eine Unzahl von verstreuten Bauden um einen Ortskern, der erstaunlich klein ist.

 

Schon kann ich am Ende einer steil geneigten Wiese unser Hotel ausmachen. Im Winter ist diese Wiese eine Skipiste. Schön, dass das Hotel sogar deutlich unter mir liegt! Schnell sause ich eine steile Straße hinunter. Aber warum entfernt sich das Hotel jetzt wieder? Und bin ich nicht eigentlich schon zu tief? Mist! Ich habe die richtige Abzweigung verpasst! Weil sich zwischen mir und dem Quartier mittlerweile eine kleine Talkerbe mit Bächlein geschoben hat, komme ich zu einer Extra-Trainingseinheit. Ich muss ein ganzes Stück zurück den Berg hinauf. Nach einem doppelten Check, ob das jetzt die richtige Straße ist, stürze ich mich erneut ins Tal. Gerade als ich in die Hotelauffahrt rolle, fallen die ersten schweren Regentropfen …

 




Weiter lesen: Teil 4  Der kleine Bruder des Ještěd.

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