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An der Noooordseeküste ...

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Am nächsten Morgen wache ich immer noch in Ribe auf. Als ich den Kopf aus meinem Domizil herausstrecke, stelle ich fest, dass über Nacht das Väterchen Frost zu Besuch gekommen ist. Es hat die Welt um mich herum mit einer knusprigen Reifschicht verzuckert. Auch Gevatter Seenebel ist noch da, doch er wird sich bald verabschieden. Der Reif, der Nebel und die erwachende Sonne zaubern ein stimmungsvolles Bild. Aber hier will ich nicht auf schönes Wetter warten, denn ich habe mir als neues Ziel den Nordseestrand ausgesucht. So mache ich mich gleich per Auto auf den Weg nach Henne Strand. Henne liegt mitten in einem Gebiet, das von flachen Sandstränden, ausgedehnten Dünenlandschaften und Ferienhäusern dominiert wird. 

 

Genau genommen steuere ich nicht den Strand, sondern den Blåbjerg an. Ja, richtig gehört, einen Berg. Wobei, mit ganzen 64 Metern Höhe handelt es sich um einen sehr dänischen Berg ...


Jütlandreise
 
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An der Noooordseeküste ...   -  Blåvand
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Immerhin sind die Höhenmeter echt, denn der Bezugspunkt - das Meer - liegt ja in unmittelbarer Nachbarschaft. Der Blåbjerg ist eigentlich eine riesige Düne, die man durch Aufforstung stabilisieren konnte. Vor allem befindet sich auf dem Blåbjerg wieder einmal eine angelegte Mountainbikestrecke. Inzwischen weiß ich nämlich, worauf ich bei der Planung auf der Landkarte achten muss und auf den Geschmack gekommen bin ich ja sowieso. Nach einem ausgiebigen Frühstück im herrlichen Sonnenschein radele ich also los. Wieder finde ich bestens präparierte Wege vor. Die Streckenführung ist wie ein langer Spaziergang durch die Landschaft. Sie ist viel weniger verspielt als gestern in der Stensbæk Plantage. Moderate Hindernisse und kleine Steigungen halten den Aufmerksamkeitspegel ausreichend hoch, ohne von der Natur abzulenken. Erstaunlich große Bäume konnten an manchen Plätzen im sandigen Untergrund Fuß fassen. An anderen Stellen zieht dichtes Buschwerk an der Fahrradspur vorbei. Einige Eichen sollen mittlerweile bis in die Baumkronen mit Sand verschüttet sein, doch sie passten sich an diese Umstände an und überlebten. Es gehört zu den Eigenheiten dieser markierten Mountainbikestrecken, dass die Orientierung schon nach wenigen Sekunden verloren geht. Das ist nicht schlimm, denn der Fahrer wird ja durch eine vorbildliche Wegweisung geleitet. Um so größer ist dann die Überraschung, unversehens wieder auf dem Parkplatz zu stehen.

 

Und was jetzt? Zur Nordsee natürlich! In Dänemark gibt es so viel Strand, dass es den Planern des Bikeparks abwegig vorgekommen sein muss, eine Route bis zur See einzuplanen. Kein Problem, ich werde den Weg schon finden! Ich fahre noch eine ganze Weile durch den Wald, bis ich in das Gebiet der Dünen komme. (Es gibt sie eben doch, die Wälder!) Als altem Ostseeküstenbewohner sind mir Dünen natürlich vertraut. Aber das hier sind schon ganz andere Kaliber! Wahre Sandberge türmen sich auf! Die Landschaft wirkt wie das maßstäblich verkleinerte Modell eines Mittelgebirges. Nur das dieses Mittelgebirge nach jedem großen Sturm wohl eine andere Gestalt hat.

Habe ich schon erwähnt, dass der Himmel inzwischen knallblau geworden ist? Die Sonne strahlt aus Leibeskräften und das ist im März wirklich eine angenehme Erfahrung. Blauer Himmel und gelbliche Dünen, garniert mit ein paar Halmen Strandhafer sind ein fast schon kitschiges Bild und doch ganz echt! 

 

Im weichen Sand versagt schließlich auch der breiteste Fahrradreifen. Da heißt es absteigen und schieben, bis ich endlich am Strand bin. Die See ist ruhig und der Küstenstreifen wirkt wie eine endlose glatte Fläche. Diese Sandfläche ist fest genug, dass die Reifen nicht einsinken und eignet sich perfekt für eine stimmungsvolle Fahrradtour. Und genau das wird die meiste Zeit am heutigen Tag meine Beschäftigung sein: Endlos weit den einsamen Strand entlang zu radeln. Rechts von mir plätschert und gluckert friedlich das Meer. Es ist gerade nicht in der Stimmung, kräftig zu rauschen und mit Wellen herumzuwerfen. Heute ist es fast windstill. Auf der linken Seite sehen mir aus einiger Entfernung die strubbelig bewachsenen Dünen beim Radeln zu und im Gesicht habe ich die Sonne. Kilometer für Kilometer rollen unter mir ab. In der Nähe der Badeorte gibt es manchmal Strandbesucher, doch meist bin ich mit Monsta und dem Strand und dem Meer allein.

 

Plötzlich komme ich nicht mehr weiter. Ein Flüsschen hat sich aus den Dünen kommend tief in den Sand gegraben und strebt der Nordsee zu. Vielleicht kann ich es wagen, ganz dicht an der sanften Brandung hindurch zu furten?  Was ist, wenn der Sand dort weich ist, oder die Passage viel tiefer sein sollte, als gedacht? Nasse Füße würden mich auf schnellstem Weg zum Auto zurücktreiben und das wäre jetzt ganz und gar nicht mein Plan. Lieber schlage ich mich hasenfüßig durch das Hinterland, nutze bei ein paar Ferienhäuschen eine Brücke und taste mich zurück zum Strand. Schon rollt es wieder auf festem Sand. Meine Sandstrand-Reise geht immer weiter nach Süden.

 



Zwei Entdeckungen mache ich auf meiner Tour: Die erste ist ein gesperrter Strandabschnitt. Also richtig illegal bin ich hier nicht, aber das Baden ist verboten und der direkte Kontakt mit dem Sand soll vermieden werden. Was ist hier passiert? Ein Pharma-Hersteller hatte in den 1960er Jahren ganz legal seine chemischen Abfälle oben in den Dünen verklappt. Wie sich herausstellte, war die Brühe wohl nicht ganz so harmlos. Nach einer anfänglichen Vollsperrung des Areals versenken Behörden nun seit den 2000er Jahren mit der ihnen eigenen Gründlichkeit enorme Geldmittel im weichen Sandboden. Der Zweck ist eine Sanierung und die vollständige Beseitigung aller Problemstoffe. Bis wirklich nichts mehr messbar ist, werden wohl noch Jahrzehnte vergehen. Ehrlich gesagt, ich hätte den ökologisch immer vorbildlichen Dänen eine solche Umweltsauerei gar nicht zugetraut!

Die zweite Entdeckung ist ein Strandabschnitt, der mit Autos befahren werden darf. Bestimmt ist das ein Mega Aufreger für grün gefärbte Fundamentalisten. Doch die Sache erweist sich im Grunde nur als netter Spaß für alle Beteiligten. Die Autos können dem Sand nichts anhaben und der feste Strand lässt ein Befahren ohne Weiteres zu. Öl und Abgase dagegen sind im Vergleich zu den Ausscheidungen eines x-beliebigen Fischkutter nicht der Rede wert. Für mich als Radler sind die bunten Autos am Strand ein interessanter Hingucker und eine schöne Abwechslung. 

 

Jetzt, wo ich gemerkt habe, dass ich am Strand so gut vorankomme, stellt sich die Frage nach dem wohin heute. Blåvand, der Badeort, der mit Leuchtturm und Landspitze das südliche Ende dieses langen Strandes markiert, wäre ein lohnendes Ziel. Allerdings komme ich immer an der Wasserlinie nicht durch. Ein militärisches Übungsgebiet liegt im Weg. Dazu muss man wissen, dass die dänische Armee einen lässigen und pragmatischen Umgang mit der Bevölkerung pflegt. Findet keine Übung statt, ist der Strand offen. (Undenkbar bei uns!) Leider ist jetzt Anfang März Schießzeit. Das zwingt mich zu einem Umweg durch das Hinterland, den ich dadurch noch verlängere, dass ich zu faul bin auf die Landkarte zu sehen. In der Annahme, kurz vor dem Sperrgebiet zu sein, verlasse ich schon am allernördlichsten Zipfel von Vejers Strand die Küste. Die Dünen und ein paar Kiefernbäumchen später bin ich dann doch mitten im Militärgebiet. Meine Position ist völlig legal, die Straßen sind frei befahrbar, aber um mich herum ist weit und breit nur Übungsplatz. Alle Gehöfte sind verlassen und die Fenster durch Holzattrappen ersetzt. Dazwischen gibt es flaches Land mit Buschwerk und schlammigen und tief ausgefahrenen Wegen. Irgendwelche Aktivitäten sehe ich keine, mal abgesehen von drei Armee-Jeeps mit langen Antennen, die mir in hohem Tempo auf der Landstraße entgegenkommen.

 

Die Landstraßenabschnitte fühlen sich etwas zäh an. Es gibt wenig zu sehen und auch der Wind ist aufgewacht und scheint etwas gegen mich zu haben. Er tut alles, um mich zu bremsen. Das scheint endlich einmal ein Vorurteil über Dänemark zu sein, das auch stimmt: Der Wind kommt immer von vorn!

Zur Abwechslung erscheint ein kleines Kirchlein am Straßenrand. Im Gegensatz zu den Höfen wirkt die Kirche gepflegt und keineswegs verlassen. Und pragmatisch wie die Dänen nun einmal sind, haben sie auch nicht vergessen, ein Schild aufzustellen: „Hier sind militärische Aktivitäten verboten!“

 

Nachdem ich bisher ein Küstenland im friedlichen Frühjahrshalbschlaf kennengelernt hatte, ändert sich dieses Bild in Blåvand. Fast die gesamte Dünenlandschaft der dänischen Nordseeküste ist ja mit kleinen Ferienhäuschen gespickt. Aber Blåvand scheint so etwas wie die Ferienhauszentrale zu sein. (Laut Wikipedia hat Blåvand 200 Einwohner und 2000 Ferienhäuser!) Hier gibt es auch zahlreiche Läden für Sonnenöl und Strandspielzeug, Restaurants und Fischbutiken. Kurz gesagt, hier wird neben Strand und Meer all das geboten, was Otto-Normaltourist im Urlaub nicht vermissen möchte. Besonders überrascht mich aber der lebhafte Fahrzeugverkehr und die Tatsache, dass zwei drittel der Autos deutsche Nummernschilder tragen. Sollte das Berliner Corona-Panik-Orchester etwa zwischenzeitlich die Reisewarnung für Dänemark aufgehoben haben? (Wie sich später herausstellte, war genau das am Vortag passiert!)

 

Ich navigiere also mein Fahrrad durch eine Ansammlung träge durch den Ort treibender Touristen. Mein Ziel ist der einzige echte Bezugspunkt, der schlanke weiße Leuchtturm von Blåvand. Hier enden auch alle Wege, denn gleich dahinter beginnt das Sperrgebiet. Schnell finde ich ein halbwegs windgeschütztes Plätzchen hoch auf einer Düne, von dem ich einen schönen Ausblick über die Landspitze auf das weite Meer habe. Wie kleine Strichmännchen verteilen sich dutzende Touristen unten auf dem Strand. Dies ist auch der richtige Platz für ein kleines Picknick, bei dem ein paar weit gereiste Stullen ihrer Bestimmung zugeführt werden. Ich hatte die Brote gemeinsam mit Tina noch am heimischen Küchentisch geschmiert. Doch schnell regen sich wieder die Hummeln im Hintern. Bis zu meinem Quartier habe ich noch ein schönes Stück Rückweg und ich habe mir ausgerechnet, dass ich es schaffen könnte, exakt zum Sonnuntergang wieder auf dem festen feuchten Nordsee-Strandsand entlang zu cruisen. Zu spät sollte es aber nicht werden, denn in der Nacht wäre eine solche Strandtour vielleicht auch kein Vergnügen. Timing ist also gefragt und mein Timing sagt, ich sollte bald aufbrechen! Insgeheim hatte ich die Hoffnung, meine Sandstrandfahrt gleich hier an Blåvands Leuchtturm beginnen zu können. Dazu hätte auf den Schießbahnen Feierabend sein müssen, was das Militär mit einem heruntergelassenen Signalball angezeigt hätte. Doch so sehr ich den Ball auch anstarre, er rührt sich keinen Millimeter von der Spitze seines Holzmasts.

 

Also los! Doch bei aller Zeitplanung, ein kleiner Abstecher muss noch sein. Im Internet hatte ich gelesen, dass es an Blåvands Strand einige Bunker-Mulis geben soll. Bunker-Maultiere? Nun, Beton-bunker sind an Dänemarks Nordseeküste ja keine Seltenheit. Einige kleinere Exemplare hatte ich auf meiner heutigen Tour schon gesehen. Doch diese Bunker hier haben eine interessante Besonderheit. Sie wurden vom britischen Künstler Bill Woodrow umgestaltet. Dabei erhielten sie seeseitig einen riesigen eisernen Maultierkopf und ein lustiges Eisenschwänzchen auf der Dünenseite. Das muss ich mir ansehen! So schiebe ich schnell mein Bike durch den weichen Sand bis ich an der Wasserkante wieder festen Boden unter den Rädern habe. Dann radele ich los. Kaum habe ich die kleine Landspitze umrundet, kann ich die Beton-und-Eisen-Tiere auch schon sehen. Zwei Kilometer fahre ich auf dem wieder einmal verblüffend festen Sandboden den Eselchen entgegen. Dann kann ich mir die Tiere aus der Nähe ansehen. Ihre Leiber, also die Bunker, sind sogar betretbar. Es offenbart sich ein klaustrophobisch enger Raum mit Schießscharten, der zudem mit reichlich Strandsand gefüllt ist. Eines der Mulis lässt mich sogar auf seinen Betonrücken klettern, so dass ich ihm die eiserne Mähne kraulen kann. Witzig sehen diese Kreaturen schon aus. Weil die Betonkörper längst unterspült sind und entsprechend schief stehen, wirkt es ein bisschen so, als würde die Herde in Bewegung sein und ins Meer hinein galoppieren. Der Macher hinter dem Projekt, Mister Woodrow, wäre natürlich kein echter Künstler, wenn es nicht noch eine Moral gäbe: Nein, das hier sind keine Pferde. Es sind Maultiere, denn Maultiere können sich nicht vermehren und so sollte es auch mit den Kriegen sein!

 

Nur ein kurzes Stück durch den weichen Sand, dann durch die Dünen und schon bin ich wieder ein Teil des Wimmelbilds im Badeort Blåvand. Dann schlage ich einen kilometerlangen Bogen auf gepflegten Radwegen und Landstraßen, um dem Sperrgebiet auszuweichen. Ich suche die erste Möglichkeit, an einen nicht verbotenen Strand zu kommen. Dieser Ort heißt Vejers Strand und ist ein reiner Urlauberort im Winterschlaf.

Auch hier führt eine Autorampe direkt in den festen Sand am Meer. Befahren und Parken sind südlich des Ortes erlaubt. Das sorgt wieder für das Interessante, aber für mich ungewohnte Bild einiger Autos, die wie vergessene Spielzeuge weit verteilt auf dem Strandsand parken. 

 

Mich zieht es jedoch nach Norden. Ein endloser und wieder fast menschenleerer Strand erwartet mich. Die Sonne steht nun schon ein wenig tiefer. Sie macht das Licht golden und die Bilder vor meinen Augen noch einmal deutlich kitschiger als heute Vormittag. Gleichmäßig und ohne große Anstrengung komme ich voran. Wieder sinken meine Räder nur minimal ein. Sie rollen über glattgewaschene Flächen und über solche, auf denen das Wasser eine Wellenstruktur modelliert hat. Das ablaufende Wasser hat kleine flache Seen am Strand hinterlassen. Manchmal mache ich mir den Spaß, durch das seichte Wasser zu pflügen. Dann wieder fahre ich auf dem schmalen trockenen Grat ganz nah am Meer und breite Wasserflächen liegen zwischen mir und den Dünen. 

 

Das Hindernis, das ich nach fünf Kilometern erreiche, hatte ich schon ganz vergessen. Hier mündet ein namenloses Flüsschen munter plätschernd in die See. Dabei hat es sich tief in den Sand eingegraben und gibt sich bezüglich seiner Tiefe und seiner Untergrundbeschaffenheit unergründlich. Heute Vormittag war ich diesem kleinen Problem einfach dadurch aus dem Weg gegangen, dass ich vor diesem Bächlein den Strand verlies. Und nun? Zur Durchfahrt gibt es keine Alternative. Als besonnener und vernünftiger Mensch müsste ich jetzt Schuhe und Socken ausziehen und das Gewässer probehalber zu Fuß durchwaten. Stattdessen versuche ich einfach die Durchfahrt an der Stelle, die mir am flachsten erscheint. Es ist der schmale Streifen, auf dem sich Flusswasser und Meeresbrandung vereinen. Schon tauchen Reifen in das sprudelnde Wasser ein. Es ist tiefer, als es mir lieb ist, doch es gibt kein zurück. Jetzt kräftig in die Pedale treten! Die Profile greifen gut, Wasser wird hochgewirbelt und Rücken und Beine bekommen ihre Spritzer ab. Dann ist es geschafft! Der Mut wurde belohnt und ich kam ohne eine ungeplante Kneippkur durch das Hindernis.

 

Wie in kurzen Filmsequenzen wird mir anschließend Abwechslung geboten: 

 

Hier parkt ein roter Sportflitzer auf dem Strand. Ein verliebt aussehendes Rentnerpaar sitzt Hand in Hand auf der Motorhaube und wartet auf den Sonnenuntergang. 

 

Szenenwechsel: Eine Rasselbande von fünf großen weißen und sehr zottigen Hunden toben wild herum. Als ein Ball geworfen wird, stürzen sie sich vergnügt und ohne Scheu in der Brandung. 

 

Dann folgen wieder Kilometer von weitem einsamen Strand. Die Räder rollen dahin, die Gedanken schweifen ab und ich habe die Zeit inzwischen ganz vergessen. Die Sonne ist aber noch weiter hinuntergekommen und es kann nicht mehr lange dauern, bis sie im Meer versinkt.  Als sie sich zu einem roten Feuerball formt, erreiche ich erstaunlicherweise punktgenau die Stelle, wo ich den Strand verlassen möchte. Gebannt verfolge ich den Prozess des Abtauchens in der Nordsee, bis ein letzter roter Streifen am Horizont das Ende des Tages verkündet.

Vor mir liegen für heute nur noch wenige Kilometer. Im unwirklichen Licht der Abenddämmerung durchquere ich auf einer Schotterstraße die Dünenzone. Ich bin erstaunt, dass dieses wellige und struppige Niemandsland in einer Tiefe von mehr als zwei Kilometern einfach nicht enden will! Erst als ich auf eine Landstraße treffe, habe ich die See endgültig hinter mir gelassen und bin wieder im altbekannten Dänemark: Saftige Wiesen, Felder und Dörfer mit gepflegten, weit in die Landschaft verstreuten Höfen. Das alles ist inzwischen schon sehr sparsam beleuchtet, denn der Tag hat sein Licht verbraucht. Doch zum Glück habe ich heute meine Fahrradbeleuchtung nicht vergessen. Und so ist es kein Problem, dass ich meinen Parkplatz erst bei vollständiger Dunkelheit erreiche.

 

Zu meiner Überraschung ist es hier keineswegs einsam und still. Der Platz steht voller Autos. Scheinwerfer leuchten, es wird mit Werkzeugen hantiert und angeregte und lautstarke Unterhaltungen fliegen durch die Luft. Unentwegt rollen Fahrräder mit grellen Flutlichtscheinwerfern auf den Platz oder verschwinden wieder im Wald. Es ist klar: Hier trifft sich die lokale Mountainbike-Szene zum Nightride! Ich lasse das bunte Treiben an mir vorbeirauschen, während in meiner improvisierten Kombüse schon ein leckeres Süppchen vor sich hin köchelt. Als wenn eine Art Sperrstunde eingehalten werden müsste, sind die Fahrradfreunde nach einiger Zeit plötzlich verschwunden. 

 

Nach dem Essen verschwinde ich dann auch bald von diesem Ort, denn ich werde heute direkt in Blåvand übernachten. Der dortige Bäcker und der Kaufmann werden mich morgen früh mit leckeren Zutaten für ein zünftiges Frühstück versorgen. Für dieses Frühstück werde ich mein Autogespann an den Strand von Vejers lenken, wo ich einen faulen Ruhetag im herrlichen Sonnenschein verbringen werde.

Genau so kommt es auch. Ich vertreibe mir am nächsten Tag die Zeit mit Joggen, Baden (Oh, das ist aber kalt!) und Frühstücken (genau in der Reihenfolge), kraxle ein wenig in den Dünen herum und genieße das traumhafte Wetter. Das Monsta-Bike darf sich heute ausruhen. Spontan entscheide ich nachmittags, die Nordsee zu verlassen und an die Ostseeküste hinüber zu segeln. 

 



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