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Trans-Elbsandstein im Regen

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Soso, es dauerregnet an diesem Donnerstag also. Der Wetterdienst hatte es lange vorhergesagt und der Regen hält sich akribisch an die Vorgaben. Blöd natürlich, dass heute meine zwei freien Tage beginnen, die ich auf dem Bike verbringen wollte. Und es gibt sogar schon zwei Termine: Für Donnerstagabend, also heute, habe ich ein Pensionszimmer in Česká Kamenice gebucht und morgen würde sich die ganze Familie zu einem Wanderwochenende in Mezna treffen. Jetzt herrscht draußen Waschküche und ich habe zwei Optionen: Entweder ich lege mich für zwei Tage in das Salzwasser irgendeiner Therme, oder ich stocke noch schnell meinen Bestand an Regenkleidung auf und ziehe die Sache durch. Natürlich gewinnt die Zweite Option. Fahrradfahren bei gutem Wetter macht schließlich jeder!

 

Angesichts des durchwachsenen Wetters gehe ich die Sache ruhig an. Die Autofahrt von Berlin braucht ihre Zeit und als ich in Bad Schandau endlich hübsch und regensicher angezogen bin, geht es schon deutlich auf 14.00 Uhr zu. Bei einem offiziellen Sonnenuntergang um 16.16 Uhr ergibt sich auf meiner Trans-Sandstein-Tour nicht übermäßig viel Spielraum für spannende Umwege und Erkundungsexpeditionen in die Felsenwelt.  

Als schließlich ein älterer Kurgast, der in Schandau durch den Regen flaniert, meine Vorhaben zwar für ungewöhnlich, aber meine Kleidung für ausreichend wettersicher befindet, kann ja nichts mehr schiefgehen. Also dann mal fix los. Es geht immerhin quer durch das ganze Sandsteingebirge.



Zuerst probiere ich, auf einem schmalen Wanderpfad aus dem Schandauer Kurpark hinauf nach Ostrau zu kommen. Das klappt, abgesehen von einer kurzen Treppe, erstaunlich gut. Dabei komme ich an der neu gebauten Aussichtsplattform heraus. Die bietet zwar gerade keine besondere Aussicht, aber die Gelegenheit für ein heroisches Fahrradfoto. Die weitere Strecke folgt den amtlich genehmigten „Radrouten im Nationalpark“. Für einen Moment spiele ich mit dem Gedanken, schnell auf die Schrammsteine hinauf zu kraxeln. Aber eigentlich spricht heute alles dagegen: Derartig grauverschleiert bringt die berühmte Aussicht nix, der quatschnasse Sandstein erlaubt keine Kletterexperimente und Zeit habe ich auch nicht. Außerdem kommen die Beine gerade wieder in  den Radelrhythmus.

 

Die Strecke am Fuß der Affensteine ist meine Lieblingsstrecke hier. Es handelt sich um ein ausgesprochen kurzweiliges Auf-und-ab bei teils steinigen, teils sandigen Bodenverhältnissen. Das Gelände ist nicht problematisch, aber alles andere als eine Forstautobahn. Das neue Bike fühlt sich gut an. Sein Spitzname ist „Monsta“ und es ist ein 29er mit 3.0 Plus-Reifen. (Ein unkundiger Arbeitskollege nannte es auch schon das SUV unter den Fahrrädern.) Auch wenn ich längst weiß, was gleich passiert, haut mich der Anblick der gewaltigen Felsen beinahe aus dem Sattel. Wie aus dem Nichts stehen die 100 Meter hohen Sandsteintürme der Affensteine in greifbarer Nähe gleich am Weg. Und das Schönste: Sie sind für Otto-Normalradler sogar bezwingbar. Dazu müsste er sich nur vom Fahrrad bemühen. Ich male mir aus, wie ich jetzt unter trockeneren Umständen rasch die Häntschelstiege hinaufgekraxelt wäre… Just for fun!

 

 

Für den folgenden Abschnitt der Zeughausstraße in der Nähe des Wintersteins muss man schon sehr tapfer sein. Der Borkenkäfer, von dem die Nationalparkverwaltung behauptet, er wäre unser aller Freund, hat ein Massaker unter den Bäumen angerichtet. Schweigend und ergriffen nehme ich die endlose Parade der toten Baumsoldaten ab.

 

Da kommt schon das Zeughaus. Es ist ja bestens bekannt aus Film und Fernsehen. Heute dämmern Rangerstation und Gaststätte aber verlassen im Winterschlaf vor sich hin. Der knackige Anstieg auf dem Saupsdorfer Weg verlangt noch mal etwas Schweiß. Doch die Abfahrt danach gibt Schwung. Der Kirnitschbach ist sogar im Regen romantisch und an seinem Ufer rollt es fast von allein.

 

Kurzstopp in Zadní Jetřichovice, dem verschwunden Dorf. Mir scheint, dass das Tageslicht langsam nachlässt und es wird Zeit, über die restliche Strecke nachzudenken. Ich entscheide mich über Na Tokáni nach Jetřichovice zu fahren und von dort dem Radweg 21 zu folgen. Die Verbindung zwischen der Böhmerlandstraße und der Baude Na Tokáni ist sogar asphaltiert. Echte MTB-Puristen mögen darüber die Nase rümpfen, doch weil die Strecke gleichzeitig ordentlich ansteigt, kommt mir der edle Fahrbahnbelag gerade recht. Früher bin ich hier nur heruntergerast. Doch heute im Schneckentempoaufstieg habe ich endlich ein Auge für die Landschaft. Kleinteilige Felsen und Hügel zwingen die Straße immer wieder in eine neue Richtung und dadurch wird die Perspektive nie langweilig.

 

Auf dem Schotterweg herunter nach Jetřichovice wird die gerade gewonnene Höhe zügig wieder vernichtet. Über Kieselsteine und andere kleine Hindernisse muss ich mir keine Gedanken machen, denn sie sind in der Dämmerung und bei dem Tempo ohnehin nicht mehr zu erkennen. Kleine Fahrfehler werden von den breiten Reifen großzügig weggebügelt.

 

Der Marktplatz von Jetřichovice wirkt verlassen. Er strahlt eine dörfliche Mitternachtsstimmung aus, obwohl es noch nicht einmal 17.00 Uhr ist. Es ist eben dunkel, es regnet vor sich hin und die Straßenlaternen blinzeln verschlafen. Nur von Zeit zu Zeit tastet sich ein Autoscheinwerferpaar durch den regennassen Ort. Jetzt muss erst einmal der mitgeführte Proviant daran glauben. Gut gestärkt und mit dem Scheinwerfer in Position rolle ich weiter. Meine Bedenken, in der Dunkelheit auf der unübersichtlichen Landstraße zu fahren, erweisen sich als unbegründet. Mir begegnet auf dem kurzen Stück bis zum nächsten Dorf Všemily kein einziges Auto. Dort folge ich gern der Fahrradwegweisung und verlasse die Straße auf einem unbefestigten Weg.

 

Tschechien ist ja das Land der perfekt ausgeschilderten Radrouten. Ein- und Zweistellige Zahlen sprechen in der Regel für lange, überregionale Strecken, auf denen sich die Randonneure und Packtaschenradler zu Hause fühlen. Das gilt eigentlich auch für die hier ausgewiesene 21 die von der Elbe bis nach Liberec verläuft. Überaschenderweise haben sich die Planer hier für einen steilen und ruppigen Forstweg entschieden. Zudem waren vor kurzem schwere Forstmaschinen unterwegs und der Dauerregen tut ein übriges. Auf jeden Fall bin ich froh, dass ich durch diesen Schlamm jetzt nicht wandern muss. Die Fahrradpedale sichern ja einen gewissen Abstand zum Boden. Dem Fahrrad „Monsta“ macht das natürlich gar nichts aus. Mich verblüfft die stoische Gelassenheit, mit der seine Reifen durch den Schlamm schaufeln. Kurbelumdrehung für Kurbelumdrehung erklimmen wir den Anstieg.

 

 

Bei Kunratice hat mich die Landstraße wieder. Von hier ist es nur ein Katzensprung bis Česká Kamenice wo am Marktplatz die Pension mit heißer Dusche wartet. 


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